Paula Irmschler: Alles immer wegen damals

"Familie heißt lügen bis tief in die Nacht", sagt Karla. Das ist einer der Gründe, weshalb sie in der Familien-WhatsApp-Gruppe schweigt und von Leipzig nach Köln geflohen ist. Dort verkriecht sie sich in ihrer Wohnung.

Gerda hat sich gerade getrennt, ihre Kinder sind längst aus dem Haus. Zur jüngsten Tochter hat sie keinen Kontakt: Karla will keinen sehen. Sie lebt in Köln: mit wenig Geld, dafür mit Zwangsstörungen und Panikattacken.

Auch die zigste Ausbildung läuft nicht gerade optimal: Weil Karla nichts auf die Reihe kriegt. Nur, wenn ihre Freundin und Fernbeziehung Nathalie kommt, ist alles schön. Gerda hingegen steht aktiv mitten im Leben.

Karlas Schwester Mascha hat sich was Feines ausgedacht. Karla und Gerda sollen zu ihren runden Geburtstagen – 30 und 60 – gemeinsam nach Hamburg verreisen. Sie haben nämlich seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr.

Karla findet sich nicht liebenswert. Sie ist außerdem ein "unzugänglicher Millenial und unaufgeschlossener Ossi" mit Panikattacken. Ihre Geschwister Mascha, Frieda und Fritz haben es besser hingekriegt. Denkt auch Gerda.

Die Reise beginnt. Bald sehen sich Gerda und Karla wieder. Doch Kofferpacken geht bei Karla nur mit Zwangshandlungen. Zum Glück hat Mitbewohner Luca seinen Besuch angekündigt: Er ist in solchen Dingen eine große Hilfe.

Karla und Gerda umkreisen sich in Hamburg. Doch abends in der Kneipe kommen sie mit dem verkrampften Smalltalk nicht weiter. Einige Vorwürfe und Nachfragen später denkt Karla sauer: Jetzt kann die Mutter was erleben!

Der erste gemeinsame Abend scheitert. Gerda will Karla über das eher unromantische Elternsein aufklären. Außerdem mit im Raum: ostdeutsche Klischees. Karla zieht ihren Telefonjoker Nathalie und verlässt wütend das Lokal.

Wie konnte das passieren? Plötzlich können Karla und Gerda ruhig miteinander reden, z. B. darüber, wie es früher war. Und dann wählen sie Hamburg und den "König der Löwen" ab und fahren an die Ostsee – einfach so.

Es gibt so viele Baustellen im Leben von Karla und Gerda, und alles ist noch längst nicht gesagt. Dann macht die Pandemie einen Cut. Doch es zeigt sich: Corona ist nicht nur eine Katastrophe, sondern auch eine Chance.