Daniela Krien: Mein drittes Leben

Im früheren Leben war Linda eine Kunstmaklerin. Sie hatte ein erfülltes Leben in Leipzig, in einer schönen Eigentumswohnung, zusammen mit ihrem Mann Richard und Tochter Sonja. Bis diese mit 17 Jahren plötzlich stirbt.

Nach Sonjas Tod zieht Linda allein aufs Land, in das Haus der alten Frau Adomeit, die sie im Krankenhaus kurz vor deren Tod kennengelernt hat. Spät hatte sie Richard von ihrem Umzugsplan erzählt. Er reagiert verletzt.

Als Richard erzählt, dass es eine neue Frau in seinem Leben gibt, lässt Linda ihr gemeinsames Leben Revue passieren: das Kennenlernen, Richards erste Frau und deren gemeinsame Kinder, Sonjas Geburt – und Sonjas Tod.

Linda erinnert sich. Richard hatte schon zwei Kinder aus erster Beziehung. Doch als sich Linda nach Sonjas Geburt ein zweites Kind wünschte, weigerte er sich. Das sei ihm zu viel. Nun hat Linda gar kein Kind mehr.

Rückschau: Nach ihrer Krebsdiagnose war Linda an einen See geflüchtet. Dort hockt sie in einer Datsche und hofft, den besorgten Anrufen von Familie und Freunden zu entgehen. Sie aber hat keine Angst mehr vor dem Tod.

Richard hat jetzt Brida, und Linda ist eine Frau ohne Kind, ohne Mann und ohne Zukunft. Ganz allein erträgt sie ihre Trauer am besten. Doch vor den endlosen Ermahnungen ihrer Mutter ist sie auch in dem Dorf nicht sicher.

Auf dem Land schafft Linda es irgendwie, von einer Stunde bis zur nächsten zu leben. Hier erwartet niemand etwas von ihr. Aber wenn die Wucht der Trauer sie übermannt, denkt sie an den einen absoluten Ausweg.

Als Linda die Tür nicht mehr öffnet, beginnt sich Natascha zu sorgen: Hat sich Linda etwas angetan? Hinter der Tür stehend lauscht Linda, wie sie sich draußen mit den anderen Dorfbewohnern beratschlagt.

"Hat nicht jeder Mensch das Recht auf sein eigenes Leid?", fragt Linda. Es geht dabei um das Leben von Nine, Nataschas schwerbehinderte Tochter. Für ihre eigene Trauer muss Linda nun umdenken: Es gibt Neuigkeiten.

"Das Leben ist eine Folge von Abschieden, und alle Abschiede bereiten auf den letzten vor", sagt Linda. Ihre geliebte Hündin Kaja ist gestorben, aus dem Hof musste sie ausziehen. "Wer bin ich noch", fragt sie sich.

Lindas neue Wohnung in Leipzig bleibt unpersönlich und schmucklos. Andere Menschen erträgt sie schwer. Zum Glück kann sie sich um Nataschas Garten kümmern. Plötzlich tauchen Richard und Brida in der Nachbarparzelle auf.

Schon als Linda noch auf dem Dorf wohnte, hat ihre Mutter permanent genervt mit "guten Ratschlägen" und Vorhaltungen: "Reiß dich zusammen!" Zwischen ihnen gibt es viel Unausgesprochenes. Nun kommt die Mutter zu Besuch.